Auszug: "Nur einen Tag hatte ich droben in den Bergen bleiben wollen, und aus dem einen Tag wurden zwei Wochen, die mir in dem hochgelegenen, verfallenen Nest auf der Grenze des Albaner- und Sabinergebirgs – den Namen darf ich nicht nennen – rascher vergingen, als oft im bunten Getümmel großer Städte. Was ich eigentlich den lieben langen Tag anfing, wüsste ich kaum zu sagen. In Rom hatte mich ein Heißhunger nach Einsamkeit überfallen; den konnte ich hier stillen, nach Herzenslust. Es war im ersten Frühling, das Laub der Kastanien glänzte in der üppigsten Frische, die Schluchten waren voll Vogelgesang und Quellenrauschen, und da erst kürzlich eine große Räuberbande, die diese Wildnis unsicher gemacht, zum Teil aufgehoben, zum Teil in die Abruzzen gejagt worden war, konnte ein einsamer Wanderer die verlorensten Klippenwege sorgenfrei erklettern und sich ungestört den tiefsinnigsten Betrachtungen hingeben."
Paul Johann Ludwig Heyse, ab 1910 von Heyse (* 15. März 1830 in Berlin; † 2. April 1914 in München) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf Heyse rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyses Biograf Erich Petzet rühmte die „Umfassenheit seiner Produktion“. Die Ausgabe der Werke, die Petzet 1924 besorgte, umfasst drei Reihen von je fünf Bänden, von denen jeder rund 700 Seiten zählt (darin sind nicht alle Werke enthalten). Der einflussreiche Münchener „Dichterfürst“. Heyse pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche „den Namen geben“ und ein „Heysesches Zeitalter“ dem Goetheschen folgen werde. 1910 wurde Heyse als erster deutscher Autor belletristischer Werke mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.