Excerpt: "Das Mail- oder Postboot war eben von New-Orleans angelangt und über die von demselben an's Ufer geschobene Planke strömten in ununterbrochenem Zuge fast alle Geschäftsleute und Müßiggänger der kleinen Stadt Bayou Sarah an Bord, um theils für sie angekommene Briefe und Packete in Empfang zu nehmen, theils ihre Neugierde zu befriedigen und an dem zierlich ausgeschmückten Schenkstande ein Glas Brandy und Eiswasser zu schlürfen. Der Capitain des Postboots, ein kleiner Franzose mit grauem Rock, schwarzem Filzhut und außerordentlich blank gewichsten Stiefeln, schien überall zu sein, und während ihm große Schweißtropfen an der gerötheten Stirn glänzten, schimpfte er in fürchterlich gebrochenem Englisch auf Gott und die Welt, vorzüglich aber auf den Postmeister, der ihm aus seinem Comptoir, eben als er kaum den Rücken gewandt, ein Packet Briefe in zu großem Amtseifer entführt und mit hinauf auf die Post genommen hatte. »God dam him!« wetterte der kleine Mann, mit der Faust auf das grünbeschlagene Pult niederschlagend, daß die Tinte hoch empor spritzte – »was hat der Pflasterschmierer (der Postmeister hatte zu gleicher Zeit eine Apotheke und einen Kramladen und ließ sich gern »Doctor« nennen) in meinem Comptoir zu suchen? Schleppt Briefe hinauf, eh? Denkt nachher Wunder, was er gethan hat; aber wart' – Du kommst mir wieder.« »Capitain! Briefe für mich angekommen?« fragte ein junger schlanker Mann, dem Erzürnten lachend dabei auf die Schulter klopfend. »Geht in die Hölle oder zum Quacksalber hinauf!« fluchte dieser weiter, ohne sich nur die Mühe zu nehmen, herumzuschauen, wer ihn angeredet habe. »Hallo! was ist wieder im Wind?« lachte der junge Pflanzer – »die Kessel voll zum Zerplatzen? Dampf genug, um drei gewöhnliche Boote in die Luft zu blasen! immer noch der Alte. Ihr Franzosen seid doch sonderbares Volk; gleich Feuer und Flamme, wie Dupont's Schießpulver!« »Der Postmeister hat die Briefe mit hinaufgenommen,« antwortete der Buchhalter statt des Capitains. »Dam him!« rief dieser und warf die Glasthür hinter sich in's Schloß, daß die Scheiben klirrten.”
Friedrich Gerstäcker (geb. 1816 in Hamburg, gest. 1872 in Braunschweig) war ein deutscher Schriftsteller, der vor allem durch seine Reiseerzählungen aus Nord- und Südamerika, Australien und der Inselwelt des indischen Ozeans bekannt war. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Die Regulatoren von Arkansas“ (1846) und „Die Flußpiraten des Mississippi“ (1847). Daneben veröffentlichte er eine Vielzahl von spannenden Abenteuerromanen und -erzählungen, aber auch Dorfgeschichten aus der deutschen Heimat. In seinen Erzählungen verstand er es die Landschaften und kulturelle Verhältnisse anschaulich darzustellen, so dass noch heute ein überwiegend jugendliches Publikum seine bekannten Romane liest. Seine Erzählungen und Romane regten im Nachgang zahlreiche Nachahmer an, zu denen auch Karl May zählte. Er profitierte sehr stark von den Schilderungen Gerstäckers, da er weniger in der Welt herumgekommen war und aus eigenen Erlebnissen zu berichten hatte. Insgesamt hinterließ Friedrich Gerstäcker ein monumentales 44-bändiges Gesamtwerk. (Amazon)