Auszug: "Ich spreche im Namen derer, die nicht an das Dasein eines einzigen, allmächtigen und unfehlbaren Gottes glauben, der Tag und Nacht über unsere Gedanken, Worte und Thaten wacht, der die Gerechtigkeit auf Erden erhält und sie in einer anderen Welt weiter fortsetzt. Wenn es aber keinen Richter giebt, giebt es dann wenigstens eine Gerechtigkeit über der von den Menschen geübten, die sich nicht nur in ihren Gesetzen und Gerichten, sondern auch in allen, dem jeweiligen Richterspruch nicht unterstehenden sozialen Beziehungen kundgiebt und gewöhnlich nur durch die öffentliche Meinung, das Vertrauen oder Misstrauen, die Billigung oder Missbilligung unserer Mitmenschen geheiligt wird? Lassen sich die dem Menschen oft so unerklärlichen Akte der Moral des Weltalls, die ihn gewissermassen nötigen, an das Dasein eines Weltenrichters zu glauben, auf die soziale Gerechtigkeit zurückführen und durch sie erklären? Wenn wir unseren Nächsten getäuscht oder bezwungen haben, haben wir damit auch alle Kräfte der Gerechtigkeit getäuscht und bezwungen? Ist die Weltgeschichte das Weltgericht, und haben wir nichts weiter zu fürchten, oder giebt es noch eine tiefere und dem Irrtum minder unterworfene Gerechtigkeit, die zwar weniger sichtbar, aber allgemeiner, mächtiger und durchgreifender ist?"
Maurice Maeterlinck war ein belgischer Schriftsteller, Dramatiker und Essayist, der am 29. August 1862 in Gent, Belgien, geboren wurde und am 6. Mai 1949 in Nizza, Frankreich, verstarb. Er war eine herausragende Figur des symbolistischen Literaturstils und erlangte internationale Anerkennung für seine einzigartigen und poetischen Werke. Maeterlinck wuchs in einer wohlhabenden Familie auf und erhielt eine solide Bildung. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Gent, interessierte sich jedoch mehr für Literatur und Philosophie. Schon früh zeigte er eine besondere Begabung für das Schreiben und begann, Gedichte und Essays zu verfassen. Sein Durchbruch als Schriftsteller kam im Jahr 1889 mit dem Drama "Die Blaue Vogel" ("L'Oiseau bleu"), das zu einem Symbolwerk des symbolistischen Theaters wurde. Das Stück, das von der Suche nach Glück und dem Sinn des Lebens handelt, erlangte internationalen Ruhm und festigte Maeterlincks Ruf als bedeutender Dramatiker. In den folgenden Jahren schrieb Maeterlinck eine Reihe weiterer bedeutender Dramen, darunter "Pelléas und Mélisande" (1892), "Aglavaine und Selysette" (1896) und "Der Schatz der Armen" (1898). Seine Werke zeichneten sich durch ihre symbolische Sprache, mysteriöse Atmosphäre und philosophische Themen aus. Maeterlinck war stark von Philosophen wie Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche beeinflusst und thematisierte in seinen Werken häufig Fragen des Lebens, der Liebe, des Todes und des Übernatürlichen. Neben dem Theater schrieb Maeterlinck auch Essays zu einer Vielzahl von Themen, darunter Kunst, Religion, Natur und Spiritualität. Sein bekanntestes Essay ist "Der Schatz der Armen" (1896), in dem er die Idee der Großzügigkeit und Nächstenliebe betont. Für seine literarischen Werke erhielt Maeterlinck mehrere Auszeichnungen, darunter den Nobelpreis für Literatur im Jahr 1911. Seine Werke hatten einen bedeutenden Einfluss auf die literarische Entwicklung des Symbolismus und inspirierten viele spätere Schriftsteller und Dramatiker. Maurice Maeterlinck verbrachte seine letzten Lebensjahre in Frankreich und widmete sich weiterhin dem Schreiben. Er verstarb am 6. Mai 1949 in Nizza, hinterließ jedoch ein reiches Erbe an literarischen Werken, die seine Position als eine der prominentesten Figuren des symbolistischen Schreibens festigen.