Auszug: "Eine arme junge Heilsarmeeschwester lag im Sterben. Ihre Tätigkeit hatte sie in die »slums«, die verrufenen Viertel der Stadt, geführt; dann hatte sie die galoppierende Schwindsucht bekommen, und jetzt nach einem Jahre ging es zu Ende. Solange wie irgend möglich war sie ihren gewohnten Pflichten nachgekommen, und als alle ihre Kräfte aufgebraucht waren, schickte man sie in ein Sanatorium. Dort hatte sie einige Monate gelegen und war gut gepflegt worden; aber es wurde nicht besser mit ihr, und als sie schließlich begriff, wie hoffnungslos krank sie war, verlangte sie nach Hause zu ihrer Mutter, die in einer der Vorstädte in einem eigenen Häuschen wohnte. Nun lag sie da in ihrem Stübchen, demselben Stübchen, das sie als Kind und als ganz junges Mädchen bewohnt hatte, und wartete auf den Tod. Angstvoll und tiefbetrübt saß die Mutter an ihrem Bett; aber sie ging in all der Pflege, deren die Tochter bedurfte, so vollständig auf, daß sie keine Ruhe zum Weinen fand."
Selma Lagerlöf war eine schwedische Schriftstellerin, die am 20. November 1858 in Mårbacka, Värmland, Schweden, geboren wurde und am 16. März 1940 in Mårbacka verstarb. Sie war die erste Frau, die den Nobelpreis für Literatur erhielt, den sie im Jahr 1909 erlangte. Lagerlöf wurde in eine wohlhabende Familie hineingeboren und genoss eine gute Ausbildung. Sie studierte am Högre lärarinneseminariet in Stockholm und arbeitete zunächst als Lehrerin, bevor sie sich der Schriftstellerei widmete. Ihre ersten literarischen Werke waren Märchen und Legenden, die von der schwedischen Folklore und Kultur beeinflusst waren. Ihr bekanntestes Werk ist der Roman "Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen" (Nils Holgerssons underbara resa genom Sverige), der 1906 veröffentlicht wurde. Das Buch erzählt die Geschichte des Jungen Nils, der durch einen Zauberspruch auf die Größe eines Daumens geschrumpft wird und daraufhin mit einer Gruppe von Wildgänsen durch Schweden reist. Das Buch wurde international bekannt und ist bis heute ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Lagerlöf schrieb auch weitere Romane und Erzählungen, die oft von sozialen und moralischen Fragen handelten. Sie setzte sich für Frauenrechte, Bildung und soziale Gerechtigkeit ein und ihre Werke reflektieren häufig diese Themen. Zu ihren bedeutendsten Werken zählen "Gösta Berlings Saga" (1891) und "Jerusalem" (1901-1902). Für ihre Verdienste als Schriftstellerin und ihr soziales Engagement erhielt Lagerlöf zahlreiche Auszeichnungen. Neben dem Nobelpreis wurde sie mit dem Schwedischen Akademiepreis, dem Selma-Lagerlöf-Preis und dem Litteris et Artibus-Preis geehrt. Selma Lagerlöf war eine bedeutende Figur in der schwedischen Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie wurde für ihre innovativen Erzähltechniken und ihre Fähigkeit gelobt, traditionelle Erzählungen mit sozialen und moralischen Themen zu verbinden. Ihr Werk hat bis heute einen festen Platz in der schwedischen und internationalen Literatur.