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Plaudereien eines alten Freundespaars, Classics To Go

Auszug: "Seit Jahren war der Medizinalrath gewohnt, an einem bestimmten Abend in der Woche seine Freundin, die Professorin, zu besuchen, auf ein Plauderstündchen, aus dem gewöhnlich zwei wurden. Beide waren schon alt, er ein großer, etwas hagerer Mann an der Schwelle der Siebzig, grauhaarig und mit einem gütigen, geistvollen Gesicht, die Professorin nur sechs Jahre jünger und gleich ihm seit Jahren verwittwet. Beide hatten ihre verheiratheten Kinder wegziehen sehen und die meisten alten Freunde durch den Tod verloren. In der Stadt munkelte man, die kleine Frau mit dem silberweißen Haar, die bis in ihr hohes Alter noch sehr anziehend war und wegen ihres munteren Geistes und ihrer Herzensgüte allgemein verehrt wurde, habe es ihrem Hausarzt vor Zeiten sehr angethan, so daß es sie nach dem frühen Tode ihres Gatten, der Professor der Pandekten gewesen, nur ein Wort gekostet hätte, Frau Medizinalräthin zu werden, da auch der Arzt vereinsamt war. Sie aber setzten trotzdem ihr freundschaftliches Verhältniß unbefangen in alter Weise fort, ohne daß auch die bösesten Zungen sie deshalb zu verdächtigen wagten."

Paul Heyse

Paul Heyse war ein deutscher Schriftsteller, der am 15. März 1830 in Berlin geboren wurde und am 2. April 1914 in München starb. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts und erhielt im Jahr 1910 den Nobelpreis für Literatur. Heyse wurde in eine wohlhabende Familie hineingeboren und erhielt eine umfassende Bildung. Er studierte zunächst Jura in Berlin, wandte sich jedoch schnell der Literatur zu. Schon früh begann er Gedichte und Novellen zu veröffentlichen und wurde in den literarischen Kreisen seiner Zeit bekannt. Heyse schrieb in verschiedenen Genres, darunter Romane, Novellen, Dramen und Gedichte. Seine Werke zeichnen sich durch einen eleganten Stil, eine präzise Beobachtungsgabe und eine feine psychologische Darstellung aus. Er war ein Vertreter des poetischen Realismus und des Bürgerlichen Realismus. Besonders bekannt wurde Heyse für seine Novellensammlungen, in denen er das Leben der einfachen Menschen einfühlsam und realistisch darstellte. Einige seiner bekanntesten Werke sind "L'Arrabbiata", "Kinder der Welt" und "Im Paradiese". Er war auch als Übersetzer tätig und übertrug unter anderem Werke von Dante, Cervantes und Shakespeare ins Deutsche. Heyse war ein angesehener Schriftsteller seiner Zeit und wurde vielfach ausgezeichnet. Neben dem Nobelpreis erhielt er auch den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste sowie den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. Paul Heyse verbrachte einen Großteil seines Lebens in München, wo er an der Ludwig-Maximilians-Universität lehrte. Er war mit vielen bedeutenden Künstlern und Schriftstellern seiner Zeit befreundet, darunter Theodor Fontane und Gottfried Keller. Mit dem Aufkommen des Naturalismus geriet Heyse jedoch in literarische Konflikte und geriet in den Schatten anderer Autoren. Dennoch hinterließ er ein umfangreiches literarisches Werk, das seinen Platz in der deutschen Literaturgeschichte sicher hat.

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