This image is the cover for the book Der Kreisrichter, Classics To Go

Der Kreisrichter, Classics To Go

Auszug: "Am hellen Nachmittag rollte mein Wägelchen über das etwas unsanfte Pflaster der sauberen kleinen Stadt und hielt vor dem Wirtshause zum roten Engel. Schon unterwegs, auf der fünfstündigen Fahrt durch das schöne ebene Land in heiterer Herbstsonne, hatte ich es meinem Freunde Dank gewusst, dass er mich zu dieser Abschweifung von der trostlos geraden Eisenbahnlinie veranlasst hatte. Ich trug eine Vollmacht von ihm in der Tasche, den Verkauf eines ihm vererbten Weingärtchens in der Umgegend der kleinen Kreisstadt abzuschließen, und einen Empfehlungsbrief an den Herrn Kreisrichter. Die Bekanntschaft des Mannes wird dich nicht gereuen, hatte mein Freund gesagt, und die Bekanntschaft der Gegend lohnt sich wahrlich auch. Wer weiß, ob ich das Stück Land, das mir jetzt zur Last ist, nicht einmal zurückkaufen werde, wenn ich um einen Winkel der Welt verlegen bin, wo man sich ohne Hass vor ihr verschließen und das Restchen Leben friedlich tropfenweise ausschlürfen kann. In der Tat schien mir der Ort gleich auf den ersten Blick wohl dazu angetan. An der Schwelle der gelinde ansteigenden Vorberge lag der bescheidene Häuserhaufen schon von fern gesehen in großer Behaglichkeit da, während die Winzerhütten und kleinen Landhäuser sich lachend im Grünen über die Abhänge zerstreut und die weitere Aussicht in Besitz genommen hatten."

Paul Heyse

Paul Johann Ludwig Heyse, ab 1910 von Heyse (* 15. März 1830 in Berlin; † 2. April 1914 in München) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf Heyse rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyses Biograf Erich Petzet rühmte die „Umfassenheit seiner Produktion“. Die Ausgabe der Werke, die Petzet 1924 besorgte, umfasst drei Reihen von je fünf Bänden, von denen jeder rund 700 Seiten zählt (darin sind nicht alle Werke enthalten). Der einflussreiche Münchener „Dichterfürst“. Heyse pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche „den Namen geben“ und ein „Heysesches Zeitalter“ dem Goetheschen folgen werde. 1910 wurde Heyse als erster deutscher Autor belletristischer Werke mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

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