Auszug: "Es war am Osterdienstag. Die Menschen, die das Auferstehungsfest durch einen Ausflug ins Freie, in den lustig aufblühenden Frühling hinaus gefeiert hatten, strömten in ihre Häuser und zu den Werktagsmühen, die morgen wieder beginnen sollten, zurück. Alle Landstraßen wimmelten von Fuhrwerken und Fußwanderern, die Eisenbahnen waren trotz eingelegter Extrazüge überfüllt, denn eines so lieblichen und beständigen Osterwetters konnte man sich seit vielen Jahren nicht erinnern. Auch der abendliche Schnellzug, der auf dem Ansbacher Bahnhof in der Richtung nach Würzburg zum Abgang bereit stand, war doppelt so lang als in gewöhnlichen Zeiten. Dennoch schien er bis auf den letzten Platz gefüllt zu sein, da ein Nachzügler zweiter Klasse, der in der letzten Minute noch unterzukommen suchte, vergebens an allen Türen anklopfte, in alle Coupés hineinsah und überall nur einem mehr oder minder unwilligen oder schadenfrohen Achselzucken begegnete. Endlich fasste der Schaffner, der ihm zur Seite ging, einen raschen Entschluss, öffnete ein Coupé erster Klasse und schob den Spätling in den dämmernden Raum hinein, die Türe hastig zuschlagend, da eben der Zug sich in Bewegung setzte."
Paul Johann Ludwig Heyse, ab 1910 von Heyse (* 15. März 1830 in Berlin; † 2. April 1914 in München) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf Heyse rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyses Biograf Erich Petzet rühmte die „Umfassenheit seiner Produktion“. Die Ausgabe der Werke, die Petzet 1924 besorgte, umfasst drei Reihen von je fünf Bänden, von denen jeder rund 700 Seiten zählt (darin sind nicht alle Werke enthalten). Der einflussreiche Münchener „Dichterfürst“. Heyse pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche „den Namen geben“ und ein „Heysesches Zeitalter“ dem Goetheschen folgen werde. 1910 wurde Heyse als erster deutscher Autor belletristischer Werke mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.