Auszug: "Einem jungen Förster im Badischen nahe bei Kehl war seine liebe Frau im ersten Wochenbette gestorben und hatte bald darauf das Kind sich nachgezogen. Nun saß der Wittwer wieder mit seinen Dienstleuten allein in der schmucken, für das junge Ehepaar neu ausgebauten Försterei, und das Leben war ihm verleidet. Als ein stattlicher Mann im Anfang der Dreißiger, dem das krause braune Haar eine offne Stirn und der Vollbart kräftig gebräunte Wangen umrahmten, hätte er wohl an keiner Thür vergebens angeklopft. Aber trotz alles Zuredens guter Freunde und wohlmeinender Freundinnen, die ihn gern wieder versorgt gesehen hätten, trieb er sein einsames Wesen schon ins dritte Jahr so fort und wies endlich die versteckten oder offenen Kuppelversuche mit einer Heftigkeit ab, von der überhaupt durch seine sonst so heitere und gleichmäßige Natur eine Ader mit unterlief. Nun geschah es an einem der warmen Oktobertage, die den Weinbauern so willkommen sind, daß der Herr Hubert, wie unser Waidmann genannt wurde, in Kehl Geschäfte hatte, die sich über Erwarten rasch erledigten. Da es ein Sonntag war, wollten ihn seine Bekannten in ihrem Hause festhalten, um den ersten Most zu versuchen. Er lehnte aber entschieden ab, weil ihm die Luft in dem Städtchen, wo er einst Hochzeit gehalten, das Herz schwer zu machen pflegte, und wanderte, in seine schmerzlichen Gedanken vertieft, über die Rheinbrücke dem alten Straßburg zu, das er längst einmal wiederzusehen gewünscht hatte."
Paul Heyse war ein deutscher Schriftsteller, der am 15. März 1830 in Berlin geboren wurde und am 2. April 1914 in München starb. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts und erhielt im Jahr 1910 den Nobelpreis für Literatur. Heyse wurde in eine wohlhabende Familie hineingeboren und erhielt eine umfassende Bildung. Er studierte zunächst Jura in Berlin, wandte sich jedoch schnell der Literatur zu. Schon früh begann er Gedichte und Novellen zu veröffentlichen und wurde in den literarischen Kreisen seiner Zeit bekannt. Heyse schrieb in verschiedenen Genres, darunter Romane, Novellen, Dramen und Gedichte. Seine Werke zeichnen sich durch einen eleganten Stil, eine präzise Beobachtungsgabe und eine feine psychologische Darstellung aus. Er war ein Vertreter des poetischen Realismus und des Bürgerlichen Realismus. Besonders bekannt wurde Heyse für seine Novellensammlungen, in denen er das Leben der einfachen Menschen einfühlsam und realistisch darstellte. Einige seiner bekanntesten Werke sind "L'Arrabbiata", "Kinder der Welt" und "Im Paradiese". Er war auch als Übersetzer tätig und übertrug unter anderem Werke von Dante, Cervantes und Shakespeare ins Deutsche. Heyse war ein angesehener Schriftsteller seiner Zeit und wurde vielfach ausgezeichnet. Neben dem Nobelpreis erhielt er auch den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste sowie den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. Paul Heyse verbrachte einen Großteil seines Lebens in München, wo er an der Ludwig-Maximilians-Universität lehrte. Er war mit vielen bedeutenden Künstlern und Schriftstellern seiner Zeit befreundet, darunter Theodor Fontane und Gottfried Keller. Mit dem Aufkommen des Naturalismus geriet Heyse jedoch in literarische Konflikte und geriet in den Schatten anderer Autoren. Dennoch hinterließ er ein umfangreiches literarisches Werk, das seinen Platz in der deutschen Literaturgeschichte sicher hat.