Auszug: "Auf der Grimö, einer kleinen Insel der Schären an der Westküste Schwedens, wohnten vor Jahren zwei Ehegatten, die einander sehr unähnlich waren. Der Mann, ungefähr fünfzehn Jahre älter als seine Frau, war von jeher ein unansehnlicher, schwerfälliger und saumseliger Mensch gewesen, der auf seine alten Tage natürlich auch nicht anders geworden war. Seine Frau dagegen, deren hübsches Gesichtchen sich außerordentlich gut erhalten hatte, sah jetzt mit fast fünfzig Jahren noch ebensogut aus wie mit zwanzig. Diese beiden Ehegatten saßen an einem schönen Sonntagabend auf der großen Steinplatte, die gerade vor ihrem Haus aus dem Erdreich herausragte, und pflegten in aller Ruhe Zwiesprache miteinander. Der Mann, der sich gerne selber reden hörte und seine Worte wohl zu setzen verstand, verbreitete sich grade über einen Artikel, den er soeben in einer Zeitung gelesen hatte. Seine Frau hörte mit nicht allzugroßer Aufmerksamkeit zu."
Selma Lagerlöf war eine schwedische Schriftstellerin, die am 20. November 1858 in Mårbacka, Värmland, Schweden, geboren wurde und am 16. März 1940 in Mårbacka verstarb. Sie war die erste Frau, die den Nobelpreis für Literatur erhielt, den sie im Jahr 1909 erlangte. Lagerlöf wurde in eine wohlhabende Familie hineingeboren und genoss eine gute Ausbildung. Sie studierte am Högre lärarinneseminariet in Stockholm und arbeitete zunächst als Lehrerin, bevor sie sich der Schriftstellerei widmete. Ihre ersten literarischen Werke waren Märchen und Legenden, die von der schwedischen Folklore und Kultur beeinflusst waren. Ihr bekanntestes Werk ist der Roman "Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen" (Nils Holgerssons underbara resa genom Sverige), der 1906 veröffentlicht wurde. Das Buch erzählt die Geschichte des Jungen Nils, der durch einen Zauberspruch auf die Größe eines Daumens geschrumpft wird und daraufhin mit einer Gruppe von Wildgänsen durch Schweden reist. Das Buch wurde international bekannt und ist bis heute ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Lagerlöf schrieb auch weitere Romane und Erzählungen, die oft von sozialen und moralischen Fragen handelten. Sie setzte sich für Frauenrechte, Bildung und soziale Gerechtigkeit ein und ihre Werke reflektieren häufig diese Themen. Zu ihren bedeutendsten Werken zählen "Gösta Berlings Saga" (1891) und "Jerusalem" (1901-1902). Für ihre Verdienste als Schriftstellerin und ihr soziales Engagement erhielt Lagerlöf zahlreiche Auszeichnungen. Neben dem Nobelpreis wurde sie mit dem Schwedischen Akademiepreis, dem Selma-Lagerlöf-Preis und dem Litteris et Artibus-Preis geehrt. Selma Lagerlöf war eine bedeutende Figur in der schwedischen Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie wurde für ihre innovativen Erzähltechniken und ihre Fähigkeit gelobt, traditionelle Erzählungen mit sozialen und moralischen Themen zu verbinden. Ihr Werk hat bis heute einen festen Platz in der schwedischen und internationalen Literatur.