Auszug: "Am 2. April hat Paul Heyse die schönheitsfreudigen Augen für immer geschlossen. Noch bis in die letzten Wochen seines arbeitsreichen Lebens war es dem Nimmermüden vergönnt, dichterisch zu schaffen und sich im Dienste seiner Kunst über die trüben Beschwerden des Alters zu erheben. So entstanden die Übertragungen italienischer Volksmärchen und italienischer Renaissance-Komödien, die im Frühjahr und Sommer dieses Jahres erschienen sind – ein Scheidegruß des großen Sprachmeisters und Übersetzungskünstlers an den von ihm mit echt deutscher Sehnsucht geliebten Süden. Daneben aber schrieb er noch die hier vorgelegten drei Novellen, die uns nun die letzte Gabe des reichsten Novellisten deutscher Zunge bedeuten. Nicht mit der farbenprächtigen Glut und Leidenschaft der Jugend sind sie geschrieben, sondern mit der sicheren Umrißzeichnung und der gedämpften Milde des Alters. Aber wie in dem reinen Stile des künstlerischen Vortrags verleugnen sie ihren Verfasser auch nicht in der fesselnden Stellung der Probleme, die sie gestalten. In den Menschen und Schicksalen, die er uns hier vorführt, gibt der Dichter noch einmal vernehmlich Kunde von seinem Verhältnis zu den großen Lebensrätseln, zu der sittlichen Wertung menschlicher Überzeugungen und Handlungen und zu dem Glauben an eine jenseitige bessere Welt. Und ein erneutes Bekenntnis zu der entscheidenden Macht der Liebe bildet den bezeichnenden Schlußton, in dem sein Lebenswerk harmonisch ausklingt."
Paul Heyse war ein deutscher Schriftsteller, der am 15. März 1830 in Berlin geboren wurde und am 2. April 1914 in München starb. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts und erhielt im Jahr 1910 den Nobelpreis für Literatur. Heyse wurde in eine wohlhabende Familie hineingeboren und erhielt eine umfassende Bildung. Er studierte zunächst Jura in Berlin, wandte sich jedoch schnell der Literatur zu. Schon früh begann er Gedichte und Novellen zu veröffentlichen und wurde in den literarischen Kreisen seiner Zeit bekannt. Heyse schrieb in verschiedenen Genres, darunter Romane, Novellen, Dramen und Gedichte. Seine Werke zeichnen sich durch einen eleganten Stil, eine präzise Beobachtungsgabe und eine feine psychologische Darstellung aus. Er war ein Vertreter des poetischen Realismus und des Bürgerlichen Realismus. Besonders bekannt wurde Heyse für seine Novellensammlungen, in denen er das Leben der einfachen Menschen einfühlsam und realistisch darstellte. Einige seiner bekanntesten Werke sind "L'Arrabbiata", "Kinder der Welt" und "Im Paradiese". Er war auch als Übersetzer tätig und übertrug unter anderem Werke von Dante, Cervantes und Shakespeare ins Deutsche. Heyse war ein angesehener Schriftsteller seiner Zeit und wurde vielfach ausgezeichnet. Neben dem Nobelpreis erhielt er auch den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste sowie den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. Paul Heyse verbrachte einen Großteil seines Lebens in München, wo er an der Ludwig-Maximilians-Universität lehrte. Er war mit vielen bedeutenden Künstlern und Schriftstellern seiner Zeit befreundet, darunter Theodor Fontane und Gottfried Keller. Mit dem Aufkommen des Naturalismus geriet Heyse jedoch in literarische Konflikte und geriet in den Schatten anderer Autoren. Dennoch hinterließ er ein umfangreiches literarisches Werk, das seinen Platz in der deutschen Literaturgeschichte sicher hat.